Dienstag, 31. Juli 2007
Arber-Radmarathon 2007
Die Melodie zum Film "das Boot" dürfte ja bekannt sein: "dii dii dii dii dii dii diiiiii di di di di di di diiiiiii - ping - ping - [Echolot] - ping - dii di di di di di diii ...." usw.
In einer Szene des Films muss das Boot dann tiefer und tiefer abtauchen, um den gegnerischen Jägern an der Wasseroberfläche zu entgehen - und es entsteht eine höllische Spannung, ob die Nieten des Bootes halten werden, oder ob die Hülle des U-Bootes wie eine Eierschale vom Wasserdruck zusammengepresst wird.

"dii dii dii dii dii dii diiiiii di di di di di di diiiiiii - ping - ping - [Echolot]"

Am Sonntag, den 29.Juli 2007 startete ich morgens um 6:00 Uhr zu meiner vierten Auflage des "Arber-Radmarathons", der von Regensburg zum Großen Arber und zurück führt - 250km und 3300hm. Eigentlich. Bisher bin ich in den vergangenen Jahren Durchschnittsgeschwindigkeiten von 26,5km/h und 27,5km/h gefahren, diesmal wollte ich als Zeichen meiner gnadenlosen Fitness deutlich über dem 28er-Schnitt fahren. Alles war top vorbereitet, gut trainiert, Radl in Bestzustand, und ab gings am Sonntag um 6:00 Uhr mit hunderten anderen Sportbegeisterten. Diesmal wollte ich pünktlich am Start stehen und nicht wie letztes Jahr dem Feld wegen eigener Verspätung stundenlang hinterherfahren. DIESMAL NICHT ! - Start um 6:00 Uhr, aber vorher noch die obligatorische Durchsage eines netten Veranstaltermädels:
"...und passt aber auf beim überholen..." (...) - Blutleere im Hirn... (???) Ich denke mir: " " und dann: "ja gutes Mädl, was glaubsch denn du was ich mache, wenn ich überhole ???" - bestimmt ist sie noch nie ne Runde mitgefahren... - und ich gebe Markus ein Jahr nach dem ersten Ötztaler-Radmarathon unbedingt und uneingeschränkt: "die Ansagen kann man sich alle sparen". Stimmt. Markus, Du hattest absolut Recht ! - also: "Klappe halten da vorne im Startbereich und los jetzt !"

Und wie immer tut sich direkt nach dem Startkommando (des Mädels...) in den meinen hinteren Startreihen erst mal gar nichts, bis sich schließlich die Startbewegung durchs ganze Feld durchgearbeitet hat. Dann rollt der Pulk 50m weiter, klickt die Pedale noch nicht ein - weil man weiß, dass man eh gleich wieder anhalten muß; - und richtig: alle stehen wieder, weil der Rückstau einfach zu groß; ist. Kurz darauf rollen wieder alle an, dann "klickts" auf einmal überall um mich herum die Schuhe fest in die Pedale, und dann gehts richtig los: Mit noch kalter Muskulatur mal schnell beschleunigt auf 28-30km/h, wieder einsortieren, Platz schaffen, aufpassen, nur nicht stürzen, Lücken suchen und "ab dafür...".

Die Strecke kenne ich gut. Ich weiß, es geht erst einmal einige Zeit aus den Vororten von Regensburg hinaus, kurz an der Donau entlang und dann sehr schnell und landschaftlich sehr reizvoll in den bayrischen Wald. Auf kleinen Nebenstraßen, schmalen Tälern und schönen Hochflächen.
Alles funzt prima, ich bin gut drauf und achte auch penibel darauf, mich mental gut bei Laune zu halten und auf den heutigen Tag einzustimmen. Der Himmel wirkt locker und nur hier und da einige Wolken, die Strassen sind noch trocken, das Rad wird also nicht versaut, alles Bestens.
So finde ich meinen Rythmus und sehe und staune gleichzeitig über die edlen Räder um mich, die Leute die sie fahren und die Unterschiede zu den klapprigen und quitschenden Drahteseln und deren Piloten. Alles ist hier vertreten, sogar eine Fahrerin mit Plüschtieren am Rahmen und Fähnchen am Lenker ist unterwegs, wie jedes Jahr.

Die ersten Steigungen kenne ich, sie folgen auf den ersten 35er Schnitt in der Flußebene und werden begleitet vom massenhaften Rasseln der Schaltungen um mich herum, weil jeder runterschalten muß.
Auch die ersten Abfahrten "fliege" ich herunter, weil ich mir vorgenommen habe, bei den Abfahrten etwas zuzulegen. Alles auch kein Problem, alles Bestens. Mein neuer VDO-Tacho (nach Heul-email an den Hersteller noch rechtzeitig kostenlos ersetzt bekommen, weil der 3 Jahre alte in der Plastikverankerung gebrochen war) zeigt als MAX der bisherigen Geschwindigkeit stolze 76km/h an. Ich grinse und bin zufrieden. Mein bike und ich. Herrlich. Mein Tag. Meine Strecke. Alle weg da !



Bei Kilometer 37 dann taucht unvermittelt "das Boot" bei mir auf. Völlig "out of the blue" geht dieses "PING" durch mein Bike, gefolgt von "tschalong, tschalong, tschalong" (nicht im Film enthalten). Ich denke noch kurz: "Mist, irgend etwas hat sich gelöst, Sattel-däschle mit Ersatzschlauch oder Luftpumpe... MOMENT: ich hab gar keine Satteltasche drann... fuck !" - Notgedrungen halte ich am Rand an, während ALLE Teilnehmer gut gelaunt die Strasse dahinfliegen und eine Frau über mir auf dem Balkon den Fahrern in der Ortsdurchfahrt von "was-weiß-ich-denn-Scheißdreckskaff" in atemberaubender Ausdauer zuklatscht und zujubelt. Die meisten freuen sich, winken zurück, jolen, und ich sitz im Rinnstein und blick entgeistert auf meine gebrochene Speiche am neuen 350€ RITCHEY-Hinterrad !!! - DAS KANN DOCH GARNED SEIN - NO NO NO - DEFENETLY NOOOOOOOO !

"dii dii dii dii dii dii diiiiii di di di di di di diiiiiii - ping - ping - [Echolot]"

nichts geht mehr
Es dauert lange - sehr SEHR lange - bis ich wirklich realisiere, was da eben geschehen ist. ICH KANN ES NICHT FASSEN, DAS KANN NICHT SEIN ! - Entweder ist die Speiche im Gewindeansatz abgebrochen, oder der Nippel - der Speiche und Felge miteinander verbindet und die Speiche auf Spannung hält - aber wie auch immer: weder das eine noch das andere kann ich JETZT reparieren.
Ich hab kein Geld dabei,
ich hab kein Handy dabei,
es ist Sonntag , 7:10Uhr,
ich bin in einem kleinen "no-name-Scheißkaff" ohne Radladen,
zum nächsten Verpflegungsstand mit Reperaturservice sind es über 20km,
und ich kann keinen Meter mit dem Bike mehr fahren, weil durch die "fehlende Speiche" ein starker "Achter" im Hinterrad entstanden ist, der nicht einmal durch die komplett geöffnete Hinterrradbremse geht. ES GEHT HIER GAR NICHTS MEHR !
AUS !

FUCK FUCK FUCK !!!
MEGA-DISASTER !
GRÖSSTER ANZUNEHMENDER RADL-UNFALL !!
Und das mir, der ich immer nach jeder Schraube geschaut habe und die Kette immer schön schmiere, aber ja nicht zu viel, damit das alles nicht verranzt und so weiter und überhaupt...

Also bleibt mir nur übrig, die endlos vorbeiziehende Meute von motivierten Grins-Radlern fassungslos anzustarren. Schließlich rattert auch die gute Alte mit ihren Plüschtieren an mir vorbei...
Und von den tausend Radlern frägt EINER mal was los ist und ob er helfen könne *freu*, "DANKE, nein, nicht zu helfen: Speichenbruch !" - "Ach du Scheiße, neee, da kann ich auch nicht helfen... " - "neeee !"
"Irgendwann muß der Trupp ja mal ein Ende haben und dann fährt vielleicht ein Service-Mobil vorbei und nimmt mich mit" denke ich mir - aber es endet nicht und es fährt nichts. Niemand und nichts.
Inzwischen sind die Radler der kleineren Runden auch auf der Strecke, die mit 170km und weniger entsprechend später in Regensburg gestartet sind. Endlos. Endlos. Endlos...

Nach etwa 40 Minuten stehe ich dann auf und versuche doch noch einmal, die Bremse so weit zu öffnen, damit der Achter durchpasst und ich wenigstens das Rad die 37km nicht zurückTRAGEN muß. Das gelingt auch und ich kann die "gebrochene Speiche" am Hinterrad auch glücklich verklemmen, so das sie nicht ins Schaltwerk gerät oder sonst wie noch mehr Schaden anrichtet, als eh schon vorhanden ist...

"Also, 37km zurück..." denke ich mir, aber wenigstens muß ich nicht laufen, was mit den radschuhen eh so gut wie unmöglich gewesen wäre.
MIt 5-10km/h mache ich mich auf den Weg zurück nach Regensburg, an endlosen Reihen von rollenden Radlern vorbei. Eine skurile Situation, wenn einem kurz vorher noch hochmotivierten Radler auf einmal auf dem Rückweg aberhunderte ebenso motivierte Radler ENTGEGEN KOMMEN.
Bei den ersten Gesichtern "tuts noch weh", aber irgendwann gewöhne ich mich auch daran. Es ist egal. Aus und vorbei.

Helden der Landstrasse
Den Arber-Radmarathon sichern unendlich viele freiwillige Helfer und offizielle Polizisten, in dem sie an fast JEDER Strassenmündung den Verkehr anhalten und die Radler passieren lassen. An dieser Stelle noch einmal ein DICKES, ERST GEMEINTES LOB an diese Leute !
Wenn dann am frühen Sonntag morgen mal einer VERKEHRT HERUM demotiviert gen Regensburg zurück radelt, kann ich den Spruch schon verstehen: "Hee, es geht in die andere Richtung !" - ja ja ja. Extrem witzig. Egal. Weiter. Irgendwann gehen auch 37km mit einer Geschwindigkeit von 8km/h zu Ende. Irgendwann. Irgendwann.
Plötzlich taucht der erste Service-wagen der Organisiation auf, und verschwindet wieder genau so schnell, wie er gekommen ist. Ich reagiere erst gar nicht groß ("hat eh alles keinen Sinn mehr...") und nach einigen Minuten dann der zweite Service-Wagen. Dem gebe ich deutlich zu verstehen, dass ich Hilfe brauche und er HÄLT tatsächlich an.
Der freundliche Herr von ZWEIRAD-STADLER in schwarzen Klamotten und grauen Haaren frägt was los sei und meint dann "schau mer mal".

Innerhalb von 10min ist alles repariert. Hinterrad ausgebaut, Mantel und Schlauch runter, kaputten Nippel geangelt, neuen eingesetzt, Schlauch und Mantel wieder drauf, aufgepumpt, Hinterrad eingebaut, anhand der Bremsbacken zentriert (zack, zack,zack - "mit Zentrierständer könnte ich es natürlich noch besser, aber so reichts dir bestimmt auch..." - "ohh ja, klar..."), Bremse eingestellt und fertig.
Etwas perplex stehe ich daneben und versuche mit fachmännischen Handgriffen zu helfen und meinen Schaden wenigstens ein klein wenig selbst zu beheben. Der freundliche Herr in Schwarz blockt das aber genau so schnell ab wie er meinen Schaden repariert: "Neee, lass mal. Ich mach das schon" - zack zack zack - "neee, einfach lassen...". - "Ich hab jetzt aber leider nix dabei..." - "Klar. Is doch OK !" - "Öhmmm..." - "So. Jetzt paßt wieder alles. Gute Fahrt !" - "Danke !" - "Wrrrummmmm....".
Nebenbei habe ich auch noch erfahren, dass der Schaden ganz typisch für die Leichtlaufräder sei. Das sei weder ein Materialfehler noch Schlamperei. Man müsse die Laufräder einfach gut kontrollieren und immer SOFORT nachspannen, wenn eine Speiche sich lockert - was ich nicht tat, denn insgesamt fühlte sich die Spannung und Steifigkeit noch recht gut an. Mit meinen alten 36Loch Felgen mit Stahlspeichen und Messingnippel war das auch nie ein Thema gewesen. JETZT SCHON.

hinter her !


Wieder dauert es etwas, bis ich realisiert habe: ich kann jetzt weiter fahren ! - um das zu schlucken geh ich erst mal hinter den nächsten Busch. Also: ich hab mindestens 1,5h verloren, die Mitstarter der großen Runde sind alle weg, und irgendwo habe ich etwas von "Kontrollschluß" gelesen. Egal. Ab und hinter her.

Anhand der Kilometerangaben im Streckenprofil kann ich ungefähr erkennen, dass es etwa 20km sind, die ich durch diese Pannenaktion verschenkt habe. Um also auch nur den Hauch einer Chance zu haben, mich wieder an die Gruppe heranzutasten, lasse ich die erste Raststation in Cham (km60) einfach links liegen und fahre ohne Pause durch. Die Streckenposten dort winken zwar wie wild, aber ich signalisiere meine Durchfahrt und "ab dafür". Mit meinen 0,75l Wasser und den Powerbars wirds schon noch bis zur nächsten Raststation jenseits des Arbers reichen. Als Test für den Ötzi hatte ich ohnehin vor, diese Station auszulassen...

Zum Glück kenne ich den Streckenverlauf auswendig. Zwar sind an den meisten Kreuzungen noch die kleinen "Arber Radmarathon Hinweistafeln" vorhanden, aber die Streckenposten sind alle schon weg.
Es beginnt eine lange Kurbelei Richtung "Großer Arber". Immer wieder spähe ich nach Teilnehmern, die vielleicht ebenso wie ich ein Panne hatten oder einfach nur langsam sind. Aber nichts dergleichen. Nur Landstrasse, Gegenwind und Autos.
Noch gibt es wenige Steigungen, es geht durch Kötzting, Lam und Lohberg. Wenn man hier zur "rechten Zeit" durchfährt, dann spielt hier ne Blaskapelle auf und empfängt die Fahrer mit der bayrischen Landesfahne. Davon ist jetzt nichts zu sehen und zu hören. Gut, es hat auch seine Vorteile, dem Pulk hinterher zu fahren.
Einige Kilometer vor dem Arber nehme ich hinter mir plötzlich das bekannte Summen eines Leerlaufes wahr. Zwei "externe Radler", die nichts mit der Veranstaltung zu tun haben, hängen an meinem Hinterrad. "Lutschen" heißt so was, denn die nachkommenden Fahrer profitieren natürlich vom Windschatten und sparen Kraft und Energie. Irgendwann ziehen sie vorbei und fragen was von "huahaaah woi bruuuh ?" oder so was in der Art. Ich hab überhaupt nichts verstanden, aber nehme an, es heißt so was, wie: "möchtest Du auch mit ?" - also ob ich mit Ihnen als kleine Gruppe fahren will. "Juppp !" - zu was auch immer. So fahren wir denn die leichte Steigung, die dem Arber voraus geht mit ordentlichen 30-32km/h hinauf und ich kann so langsam etwas "verschnaufen". Die Solo-Aufholjagd quasi "nackt im Wind" war schon sehr anstrengend, hat "Körner gekostet" und war ja genau das, was Markus und ich dieses Jahr unbedingt vermeiden wollten. Heut noch viel schlimmer als letztes Jahr. Aber gut, jetzt bin ich froh, dass mein Bike überhaupt wieder fährt und ich nicht bereits frustriert in Regensburg angekommen bin...

Je weiter es Richtung "Großer Arber" geht, desto eher stehen hier und da noch Streckenposten an den Kreuzungen. Auch das in meiner Aufholjagd schon ein Erfolg.
Die zwei Externen fahrn immer noch vor mir her, setzen sich aber nicht ab. "Am Arber-Aufstieg" werd ich euch aushauchen" denke ich mir, aber dazu kommt es nicht. Als es endlich die Aber-Steigung mit 10-11% hinauf geht, muß ich der Jagd bis hierher Tribut zollen und werde doch merklich langsamer. Umdrehung um Umdrehung der Kurbel wird der Abstand zwischen uns größer, und ich ahne das mentale Loch, das sich deswegen da vor mir auftut: Steigungen sind meine Stärke. Niemand überholt mich an einem Berg so schnell, und erst letztes Jahr, als ich mit Markus "nur" 30min zum Hauptfeld aufholen mußte, zählte ich diejenigen, die mich überholten - es waren keine 3 Fahrer. Aber heute muß ich diese zwei ziehen lassen, ich muß einfach etwas langsamer machen. Von und nach Regensburg ist es nun etwa gleich weit, aber meine Wasserflasche ist leer, die Powerbars wiedermal zum kotzen und ob die nächste Verpflegung noch offen hat ist fraglich. Also Gang raus und ziehen lassen.

Nach den nächsten Kehren und Biegungen tauchen dann endlich ein paar ganz Verzweifelte und Nicht-glauben-könner auf, die anhand ihrer Nummer am Rad klar dem Marathon zuzuordnen sind. Schnell lasse ich die hinter mir "bitte, geht doch".

Gegen Ende des Aufstieges ziehe ich an einem MTB-Fahrer vorbei, der mir miehr als gedacht zu schaffen macht. Trägt keine Nummer, fährt also hier so zum Spass und ist locker 10-20 Jahre ÄLTER als ich. Grau-weißliches Haar und hat nen Zug drauf, Junge Junge... Leider sagt der auch irgendwas Unverständliches, klingt aber freundlich und lacht dabei, daher hebe ich nur locker die Hand, als ich endlich an ihm vorbeiziehe. Und obwohl ich mehr und mehr Kette gebe, surrt der irgendwann wieder an mir vorbei (deutlich verschwitzt und schnaufend), aber ALLE ACHTUNG: MTB und älter und SCHNELLER ! - wieder irgend ein "mohohoooo wah hui !" und ich hab wenigstens seinen Windschatten.
Gleich darauf geht die Steigung in die Abfahrt nach "Bayrisch Eisenstein" über, und da hält er rechts an, um eine Windjacke anzuziehen. Das versteh ich dann wenigstens mal. Ich brauch zum Glück nichts dergleichen, denn das System mit den leicht schwul aussehenden WINDSTOPPER-Armlingen funktioniert ALLERBESTENS. Also oben nur großen Gang einlegen und Kette !



Fortsetzung folgt

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